FORT DA. Imagination und Religion
Linzer Augen Bd. 16






Linzer Augen Bd. 16
Die Verfahren, Produkte und Diskurse der Wissenschaft sowie der Kunst sind in umfassende kulturelle Entwicklungen eingebettet, können zugleich aber auch für diese konstituierend sein. Damit sind sie jedoch aufs Engste an die Problematik der Autorität des Wissens gekoppelt. Schließlich ist die Frage, welche Figurationen des Wissens und der Reflexion sich in beiden Bereichen und gerade an deren Schnittstelle ausbilden und halten können, immer auch daran gebunden, mit welchen Strategien Geltung hergestellt und reproduziert wird. Zwischen Autorität und Subversion vermittelnd, setzen sich die Beiträge des Bandes mit den Transformationen, mit dem Auftauchen und Verschwinden von Wissenselementen im Grenzbereich von Kunst- und Wissenschaftsgeschichte auseinander.
In der Entwicklungsgeschichte des politischen Denkens markieren die Ausgrenzungen der Tiere aus der politischen Ordnung immer zugleich ihren Einschluss. Das verrät bereits die Definition des Menschen als ›zoon politikon‹ oder ›animal civile‹. In Staatsgründungsmythen stehen Tiere oft an erster Stelle der Deszendenztafel, Staaten selbst entwickeln sich in Antinomie zu Tieren und benutzen sie zugleich als Vorbilder sozialen Zusammenlebens und Sinnbilder der Herrschaft. So ist das Tier nicht nur Teil politischer Ikonographie und Repräsentation, sondern auch politischer Akteur im Rahmen einer phantastischen Zoologie, die beispielsweise die staatliche Ordnung von wilden Tieren, Horden und Meuten, Ratten oder Werwölfen bedroht erscheinen lässt. Ausgehend von der Hypothese, dass das Wissen von den Tieren an der Entwicklung und Veränderung von politischem Ordnungswissen beteiligt war und ist, stellt das Buch eine interdisziplinäre und kontroverse Diskussion über die verschiedenen Ausprägungen einer »Politischen Zoologie« vor.
Der Rückzug großer Projekte der Moderne führt nicht nur zu einem neuen Paradigma, sondern zeigt auch, dass die Vernunft in einer Sackgasse steckt. Die massiven Widersprüche der postmodernen Gesellschaft untergraben unser gesellschaftliches Leben und können zu Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit führen. Besonders deutlich wird dies im Umgang mit Gewalt: Fundamentalismus, Neo-Rassismus und andere Formen irrationaler Gewalt scheinen zuzunehmen. Gleichzeitig sind die Eigenschaften, die Menschen charakterisieren, nicht mehr durch Tradition, ethnische Identität oder Geschlecht festgelegt, sondern im offenen Markt der Möglichkeiten wählbar. Dies wirft die Frage auf, ob dies ein unauflösbarer Widerspruch ist und wie Gewalt und Freiheit antinomisch miteinander verbunden sind. Die „Zweite Moderne“ mit ihrem Freiheitsbegriff entlastet das Individuum nicht unbedingt. Diese Beobachtungen, inspiriert von den provokanten Thesen von Slavoj Žižek, bilden die Grundlage eines Sammelbands. Autoren verschiedener Disziplinen untersuchen die ideologischen Mechanismen der Gewalt und beziehen die Fragen nach Repräsentation und Darstellung ein. Der zweite Teil des Buches dokumentiert, wie die magische Bannkraft von Gewalt über die Grenzen des Imaginären hinaus zu wirken scheint. Beiträge stammen von Slavoj Žižek, Boris Buden, Alenka Zupancic, Clemens Knobloch, Mladen Dolar, Elisabeth Bronfen, Thomas Elsaesser, Jörg Wiesel und Anna Marx.
»Jud Süß«
Die unbegriffenen Widersprüche der Gesellschaft scheinen notwendig die Figur des Juden hervorzubringen, auf den sich die Widersprüche so zurückführen lassen, als hätte er selbst sie verursacht. Über Jahrhunderte zeichnete dieser Komplex »den Juden« aus. Das Bild des Juden als politischem Vampir, der das Land aussaugt, prägt das 18. Jahrhundert – korrespondierend zur neuen Staatsallegorie des Körpers sowie zur Analogie von Blutkreislauf und Ökonomie. Als »Nosferatu des Vorkapitalismus« wird »Jud Süß« zum Übertragungsobjekt für die Ängste gegen die Modernisierung. Das »Ahasverische« und »Wesenlose« macht ihn in der Moderne zum gefährlichen Zauberer, der die Verwandtschaft aller Dinge initiiert und kontrolliert. Die medienwissenschaftlich orientierte Studie beginnt mit der Historie des »Jud Süß«, einer der bekanntesten Figuren der europäischen Kulturgeschichte. Von der Hetzkampagne gegen den erfolgreichen Hofjuden und Finanzexperten Josef Süß Oppenheimer über die literarischen Werke Hauffs und Feuchtwangers bis hin zu Veit Harlans Film analysiert die Autorin fundamentale kulturelle Strukturen, die die westliche Welt zur symbolischen Administration des »Jüdischen« bereithält.