Beruhen Konzeptualisierungsprozesse auf Primitiva der menschlichen Wahrnehmung und laufen somit sprachunabhängig ab? Oder spielen einzelsprachliche Kategorien schon vor dem eigentlichen Formulierungsprozess eine Rolle? Inwieweit ist die Entwicklung zentraler kognitiver Fähigkeiten Bedingung für den Erwerb sprachlicher Bedeutungen und Strukturen? Oder ist umgekehrt der Spracherwerb Katalysator für die Entstehung konzeptuellen Wissens? Die Zuspitzung auf ein Entweder-Oder wird der Komplexität der Zusammenhänge zwischen konzeptueller und sprachlicher Entwicklung nicht gerecht. Einsichten in Kausalzusammenhänge können nur auf der Basis von Studien gewonnen werden, die die Korrelation von Erwerbsprozessen im Detail dokumentieren und erklären. Dies ist das Ziel der explorativen Langzeitstudien und experimentellen Untersuchungen dieses Sammelbandes.
Stefanie Haberzettl Libros


Die Studie untersucht die natürliche Progression beim Erwerb eines wesentlichen Aspekts der deutschen Satzstruktur, der Verbstellung, durch Grundschulkinder mit Muttersprache Türkisch bzw. Russisch. Anhand von vier Langzeitstudien wird gezeigt, wie die Lerner Hypothesen zum komplexen Input der Zielsprache Deutsch bilden und welche Rolle ihr Erstsprachwissen beim Aufbau von Interimsgrammatiken spielt. Ein theoretischer Teil stellt aktuelle Zweitspracherwerbstheorien (universalgrammatische, funktionalistische und verarbeitungsorientierte Ansätze) vor und diskutiert deren Erklärungskraft mit Blick auf die empirischen Ergebnisse. Der Erwerb der deutschen Syntax durch kindliche Zweitsprachlerner ist bisher kaum empirisch dokumentiert worden. Durch die detaillierte Aufbereitung und Interpretation umfangreicher Daten zu diesem Gebiet stellt die vorliegende Untersuchung einen wesentlichen Beitrag für die psycholinguistische Theoriebildung dar. Sie ist darüber hinaus für alle diejenigen relevant, die sich in Theorie und Praxis mit Problemen von „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ befassen und die speziell daran interessiert sind, Sprachfördermaßnahmen unter Rekurs auf Forschungsergebnisse zum ungesteuerten Zweitspracherwerb zu optimieren.