Die gewählte Darstellungsform beschreitet neue Wege: rund 300 Dokumente, sorgfältig eingeleitet, editorisch aufgeschlüsselt und mit zeitgenössischen Photographien illustriert, vermitteln ein anschauungsgesättigtes Bild der Marburger Hochschule unter dem Nationalsozialismus. Der methodische Zugriff erfolgt über die universitären Leitungsgremien. Rektor und Kurator waren mit sämtlichen Fragen der Personalpolitik, der Forschung und Lehre befaßt, auf ihren Schreibtischen landeten Berufungslisten, Beschwerden und Denunziationen. Zugleich rückt die Universität als Instrument der Wissenschafts- und Forschungssteuerung in den Blick. Marburger Professoren beteiligten sich am 'Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften', entwickelten militärische Eignungstests und betrieben mit Photokampagnen in den besetzten Gebieten eine ungewöhnliche Form des 'Kunstraubs'. Auf der Basis authentischer Dokumente entsteht ein beklemmendes Bild universitärer Normalität in Zeiten der Diktatur.
Anne C. Nagel Libros





Deutschland im 20. Jahrhundert. Am 7. Marz 1903 wird Erwin Stein in dem Stadtchen Grunberg/Oberhessen als Sohn eines Bahnmeisters geboren. Alles deutet auf ein solides Leben ohne Verwerfungen. Es kommt anders. Die politische Entwicklung in der ersten Jahrhunderthalfte zwingt den Juristen, der mit einer Judin verheiratet ist, zu groater Zuruckhaltung. Nach 1945 beginnt sein zweites Leben. Unter dem Motto 'Es mua alles anders werden' sturzt er sich in die Politik und greift nachdrucklich in die Gestaltung eines demokratischen Deutschland ein.
Kaum einer kennt ihn mehr, den Mann, der Hermann Göring das Geld beschaffte: Johannes Popitz war ein Spitzenbeamter in der Weimarer Republik und im »Dritten Reich« der Finanzminister Görings. Gleichzeitig gehörte er, als einziger aktiver Minister, dem Widerstand an und konspirierte mit Ulrich von Hassell und Carl Goerdeler gegen Hitler. Die Historikerin Anne C. Nagel fügt die Widersprüche dieses Lebens zur umfassenden Biographie: Görings Finanzminister war ein kultivierter Bürger, ein Liebhaber Goethes und Fontanes. Er besaß den Mut, seinem Gewissen zu folgen, spielte ein doppeltes Spiel und verlor. Am 2. Februar 1945 wurde Johannes Popitz von den Nationalsozialisten hingerichtet.
Erstmals erforscht: Hitlers Kultusministerium. Mit großem Eifer machte sich Bernhard Rust, alter Kampfgefährte Hitlers, nach seiner Ernennung zum Reichskultusminister daran, seine Vorstellungen einer nationalsozialistischen Schul- und Hochschulpolitik durchzusetzen. Zentralisierungswahn setze ein, doch nicht nur gegen konservative Widerstände, auch gegen Erzrivalen Joseph Goebbels konnten Rust und sein Ministerium sich nicht immer durchsetzen. Die Historikerin Anne C. Nagel hat die Geschichte dieses nationalen Erziehungsministeriums – ein Unikum der deutschen Geschichte – erstmals grundlegend erforscht: Ein fundiertes und leicht lesbares Standardwerk zur deutschen Bildungsgeschichte – mit überraschenden Einsichten über die Wurzeln so mancher heutigen Debatte.
Die Rolle der Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit ist immer wieder kontrovers diskutiert worden. Die Welt der Mediävistik blieb dabei nahezu unerforscht. Anne Christine Nagels Studie ist die erste umfassende Darstellung der deutschen Nachkriegsmediävistik. Sie zeigt die ungebrochene Kontinuität der bildungsbürgerlichen Eliten und deren instrumentellen Denkstil. Die Wertewelt der nach 1945 amtierenden Professoren hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg gebildet und wurde jeweils elastisch den politischen Rahmenbedingungen angepasst. Als »Generation der Sachlichkeit« verfocht sie einen puristischen Positivismus und suggerierte zugleich quellennahe Authentizität. Erst der politische und kulturelle Wandel der sechziger Jahre beendete diesen Einfluss.