Bernard Schultze
Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind






Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind
Ernesto Neto (*1964, lebt und arbeitet in Rio de Janeiro, Brasilien) lädt dazu ein, den eigenen Körper intensiv zur Kunstwahrnehmung einzusetzen und dafür den direkten Kontakt mit den Werken zu suchen. Seine ausladenden Installationen und Skulpturen sollen berührt und betreten werden. Unseren Geruchssinn lockt er mit dem Duft unterschiedlicher Gewürzsäcke, die Teil von raumgreifenden Arbeiten aus Tüll, Nylon und Schaumstoff sind. Durch diese spielerische Interaktion weist seine Kunst stets eine sinnliche und soziale Qualität auf. Neto sieht sein Schaffen zudem in der Nachfolge von Hans Arp und stellt deshalb einige seiner Werke denjenigen Arps direkt gegenüber. Speziell für unsere Ausstellung hat er ein Video produziert, das ihn selbst in »liebevoller« Umarmung und Bewegung mit einer Skulptur unseres Hauspatrons zeigt.
Daniel Spoerri machte sich als bildender Künstler mit seinen „Fallenbildern“ und als Initiator der Eat-Art einen Namen. Im Jahre seines 80. Geburtstages erweist Spoerri Hans Arp, dem Hauspatron des Arp Museums, mit dem Werktitel „Weißt Du, schwarzt Du?“ – der zugleich Titel eines von Arps Gedichten ist – seine Verehrung. Die Ausstellung im Arp Museum und der begleitende Katalog versammeln 130 hochkarätige Werke der 1960er Jahre bis hin zu Spoerris jüngsten Arbeiten. Die großformatigen Bronzen „Prillwitzer Idole“ gehören ebenso dazu wie unterschiedlich variierte Holz- und Bronzeskulpturen, faszinierende Bilderzyklen sowie die berühmten „Fallenbilder“ und erstmals auch überraschende Objekte aus Spoerris privaten Sammlungen, die seine Lust am magischen Gegenstand verdeutlichen und ihn zugleich als leidenschaftlichen „Archäologen der Flohmärkte“ ausweisen.
Das Sammeln von Papier, Motiven und Materialien in vielfältigen Alltags- und Zeiterscheinungen, die Neu- bewertung von Ausschnitten und Fragmenten durch das Wegnehmen oder Hinzufügen, bilden die Grundlagen der Collage. Als künstlerisches Prinzip in der Avantgarde und vor allem vom Dadaismus in die Geschichte der Kunst eingeschrieben, schuf die experimentelle und offene Herangehensweise eine Möglichkeit, unterschiedliche Wirklichkeits- und Zeitebenen miteinander zu verknüpfen. Schließlich verbindet der Dritte Ausschnitt die Sammlung Meerwein mit dem Bestand des Museums aus der Sammlung Arp und der Sammlung zeitgenössischer Kunst. Gerade diese künstlerisch sowie geschichtlich kombinierten Schnittmengen bilden im Aufeinandertreffen das ab, was die Faszination der Collage ausmacht.
Was hält Mensch und Welt zusammen? Die Ausstellung begibt sich auf eine Spurensuche durch die Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart und fragt nach dem Gleichgewicht zwischen den Uressenzen – Feuer, Erde, Wasser und Luft. Diese Elemente durchdringen unsere Umwelt und den Menschen selbst. Zudem wird das aktuelle Krisenthema des Klimawandels im historischen Kontext beleuchtet. 42 Gemälde und Skulpturen aus der Sammlung Rau für UNICEF treten in Dialog mit 20 preisgekrönten Reportagefotografien des Wettbewerbs UNICEF Foto des Jahres. Die barocken Stillleben von Frans Snyders oder Guillaume Courtois zeigen die Fülle an Schätzen aus Erde und Wasser. Während die Himmelsdarstellungen des Mittelalters eine heile Welt präsentieren, türmen sich in Odilon Redons Bildnis des Lichtgottes Apollon Sturmwolken auf. Die unbeherrschbare Gewalt der Elemente wird in den herabstürzenden Wassermassen von Johann Martin von Rohden und der verheerenden Feuersbrunst von Aert van der Neer deutlich. Zeitgenössische Fotografien schildern unseren Umgang mit den kostbaren Ressourcen und zeigen extreme Folgen der Luftverschmutzung in Bhopal oder brennende Schrottberge in Afrika. Die Früchte der Erde geben einem afghanischen Jungen Arbeit, während Wasser oft Sehnsuchtsort ist, wie bei der Ankunft der Rohingya aus Myanmar. Historische Gemälde und zeitgenössische Fotografien sind Augenzeugen des Wandels, der das bedroht, was uns und die Erde zusammenhäl
Als Mitbegründer von ZERO zählt Otto Piene zu den Protagonisten der abstrakten Kunst nach 1945. Nach der Auflösung ZEROS 1966 im Bahnhof Rolandseck entwickelte er sein Oeuvre zeitlebens in unterschiedlichsten Werkstoffen weiter. Mit einem Fokus auf wiederkehrende Motive wie den Kreis als Symbol für den Kosmos spiegelt der Katalog sein Schaffen in einer großen Bandbreite wider: von den frühen Raster-, Feuer- und Raucharbeiten, den schweren Keramiken bis hin zu den leichten Luft- und Lichtarbeiten. Im Dialog mit ausgewählten Werken Lucio Fontanas werden erstaunliche Parallelen anschaulich, die erlebbar machen, wie sich die Kunst vom Bild in eine sinnliche Raumerfahrung erweitert. Text: Astrid von Asten, Choghakate Kazarian, Barbara Könches, Oliver Kornhoff, Jutta Mattern, Anabel Runge, Tómas Saraceno, Stephan von Wiese
In einer Zeit, die von Begriffen wie »gesellschaftlicher Umbruch« und »ökologischer Wandel« geprägt ist, stellt sich die Frage nach der Zukunft unseres Planeten und der Menschheit. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Künstlerhauses Schloss Balmoral beschäftigten sich 2018 mit dem Thema »Gestaltung der Zukunft. Wie wollen wir leben, lieben und arbeiten?«. Sie erforschten, was in der Gegenwart noch nicht existiert – Träume, Ideen, Ängste und Zweifel. Die Ausstellung betrachtet Zukunft als Produkt unserer täglichen Lebenspraxis, unseres Handelns und unserer Emotionen. Viele Künstlerinnen und Künstler fragen, wann Zukunft beginnt und rücken die individuelle Lebensgestaltung in den Vordergrund. Andere sehen die Zukunft als globales Konzept, das über das Individuum hinausgeht. Die präsentierten Werke basieren auf persönlichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Debatten und umfassen Medien wie Malerei, Skulptur, Performance, Video und Fotografie. Die Themen reichen von Formen des Zusammenlebens über das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine bis hin zu Mobilität und dem Umgang mit Krankheit und Tod. Die künstlerischen Ergebnisse führen zur grundlegenden Frage, wie der Wandel unserer Zeit das Menschsein prägt und transformiert. Kuratorin der Ausstellung ist Lotte Dinse.
2014 jährt sich der Ausbruch des ersten Weltkriegs zum einhundertsten Mal. Der Ausstellungskatalog macht ihn nicht im großen Schlachten-Panorama, sondern mit Blick auf den Menschen selbst erfahrbar. 36 Skulpturen und Gemälde aus der 'Sammlung Rau für UNICEF' ergänzt durch Leihgaben internationaler Sammlungen vergegenwärtigen Täter und Opfer, Leid und Qual im Kreislauf der Gewalt der letzten 2000 Jahre. Im gemarterten Leib, im körperlichen Schmerz Christi und der Heiligen bekommt das Leiden Gestalt, wird 'leibhaftig' und erhält dadurch berührend menschliche Dimensionen. Dem gegenüber steht der säkularisierte Leib der Aufklärung, feiert die Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts die Lust am Körper.