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Lothar L. Schneider

    Realistische Literaturpolitik und naturalistische Kritik
    Reden zwischen Engel und Vieh
    • Reden zwischen Engel und Vieh

      Zur rationalen Reformulierung der Rhetorik im Prozeß der Aufklärung

      Wir befinden uns im Feld der Sprache und können entscheiden, ob wir den Sachverhalt aus der Bedürftigkeit des Mängelwesens oder der Fülle menschlicher Möglichkeiten erklären. Dies betrifft die Intellektualität, die einst als „englisch“ bezeichnet wurde, oder die Angewiesenheit auf Sinnliches, wie sie Tieren eigen ist. Ob wir uns als bedürftig oder fähig betrachten, bewegen wir uns in einer Sphäre, die konstitutiv durch Sprache bestimmt ist. Diese bleibt auch dort vermittelt, wo die Zeugnisse menschlicher Tätigkeit ihren Sinn und das Einverständnis der Verabredungen verloren haben. Zeichen, deren Sinn verloren ist, bezeichnen wir als stumm und kennzeichnen sie mit einem Begriff, der Privation bedeutet: Sprachbedürftigkeit. Wo der dargestellte Gegenstand klar erscheint, stellt sich die Frage nach dem Sinn, der die Konstruktion des Zeichens verlangte. Ein Zeichen, das einen Gegenstand repräsentiert, präsentiert zugleich die Sprache. Wenn Formuliertes zum Gegenstand von Formulierung wird, wird nicht nur die Sache, sondern auch die Praxis ihrer Darstellung thematisiert. Jede Wiederholung droht, das Dargestellte durch die Darstellung zu verdrängen. Gegen diese Gefahr schützte einst das Vergessen; im Zeitalter der schriftlichen Gedächtniskonservierung wird Vergessen jedoch rechtfertigungsbedürftig.

      Reden zwischen Engel und Vieh
    • Realistische Literaturpolitik und naturalistische Kritik

      Über die Situierung der Literatur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Vorgeschichte der Moderne

      Die systematische Rekonstruktion der poetologischen und literaturkritischen Diskussion zwischen der Revolution von 1848 und der problematischen Moderne des Wilhelminismus stellt das traditionelle Epochenprofil um: Statt des poetischen tritt der programmatische Realismus in den Fokus des Interesses; die Wende zum Realismus erscheint nicht mehr als Rückzug auf bildungsbürgerliche Kompensation, sondern als literaturpolitischer Strategiewechsel, der Parteinahme durch Nationalpädagogik substituiert. Obwohl er sich bis in die achtziger Jahre als offizielle Programmatik des Reiches fühlen kann, werden die idealistischen Konzepte Hayms, Freytags und Spielhagens bald vom urbanen Liberalismus der Gründerzeitkritiker wie Karl Frenzel und Paul Lindau überboten, bevor die Literaturkritik des Naturalismus mit Rückgriff auf jene und polemischer Distanzierung von diesen in schriller Vielstimmigkeit die Moderne proklamiert. Diese Transformation wird vom positivistischen Literaturverständnis der Scherer-Schüler flankiert: Indem sie Literatur zunächst als Untersuchungsgegenstand begreifen, der in Struktur und medialer Logik zu bestimmen ist, lösen sie die ästhetische Beurteilung von inhaltlicher Wertung und eröffnen damit den Weg zum formalen Literaturverständnis der Moderne.

      Realistische Literaturpolitik und naturalistische Kritik