Dieses Buch präsentiert Forschungsergebnisse, die vielem widersprechen, was in den vergangenen Jahrzehnten zu Hugo Grotius’ Beitrag zum modernen Asylrecht vertreten wurde. So birgt sein Asylkonzept Keime individueller Rechte. Grotius’ Argumentation zur Aufnahme von Personen, die aus einer Zwangslage heraus migrierten, eng verbunden mit der Aufnahme von Sephardim, gilt unabhängig von kolonialen Erwägungen. Asyl konnte vor politischer Verfolgung schützen. Grotius kannte Elemente eines umfassenden Asylkonzepts: Auslieferungsschutz bei unverdienter Feindseligkeit, Schutz vor existenziellen Bedrohungen durch Aufnahme und gesicherte Rechtsstellung. Der Status von ›Expulsi‹ bei Grotius ähnelte manchem, was sich im ›Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge‹ finden lässt. Trotz gravierender Schwächen der frühneuzeitlichen Argumentation lässt uns die Beschäftigung mit ihr umgekehrt manche gegenwärtigen juristischen oder rechtspolitischen Positionen als fremd und kritikwürdig erscheinen.
Rainer Keil Libros



Freizügigkeit, Gerechtigkeit, demokratische Autonomie
- 146 páginas
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Einreise, Einwanderung und Flüchtlingsschutz würfen keine Fragen der Gerechtigkeit auf, sondern allein solche politischer Art, meinen manche. „Ein dunkler Punkt der Gerechtigkeitstheorien“ (so kritisch Ines Roellecke)? Gar in der Sache? Kant setzt dem entgegen: Politik ist „ausübende Rechtslehre“, praktisch aufzufassen und der normativen Frage auszusetzen, ob das, was als geltendes Recht „rechtens“ ist, auch das Prädikat „recht“ (gerecht) verdient. So auch die Rechtspolitik, welche Aufenthalts-, Einwanderungs- und Flüchtlingsrecht gestaltet. Aber wie? Was lässt sich philosophisch an Gesichtspunkten gewinnen, die für die kritische Beurteilung geltenden Aufenthalts- und Flüchtlingsrechts oder von Projekten einer Neuregelung fruchtbar gemacht werden können? Der Verfasser stellt die wenigen Äußerungen Kants zur weltbürgerrechtlichen Hospitalität und zum Schutz vor dem „Untergang“ in den systematischen Zusammenhang seiner Rechtsphilosophie und aktueller rechtsphilosophischer Debatten, die hieran anknüpfen. Er arbeitet Aspekte für die Gewinnung von Beurteilungskriterien heraus und trägt sie in rechtspolitischer Perspektive an zentrale Probleme des geltenden Aufenthalts- und Flüchtlingsrechts heran.
Nur scheinbar und vorläufig wurde die Diskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Ausländerwahlrechten durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 31.10.1990 beendet. Mit der dort entwickelten Dogmatik lässt sich die spätere Einfügung des Art. 28 Abs. 1 Satz 3 in das Grundgesetz – kommunales Wahlrecht für ausländische Unionsbürger – nur als schwer zu begründende Ausnahme erklären. Veranlasst durch dieses Problem, untersucht der Autor die vorgetragenen Argumente. Ihre Bedeutung hängt entscheidend von einem an den Text des Grundgesetzes herangetragenen Vorverständnis der Demokratie ab. Der Autor zeigt dies und entwickelt ausführlich eine aktuelle und präzise Interpretation und Rekonstruktion der Demokratietheorie Immanuel Kants. Diese führt er dann vorsichtig, nach Prüfung der Legitimität und Grenzen eines solchen Verfahrens, als Vorverständnis an das Grundgesetz heran. Ergebnis: Manche vermeintlich prinzipiellen Argumente sind nicht haltbar, andere letztlich pragmatisch und kontextabhängig. Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG lässt sich verstehen – mit Folgen für die Beteiligung auch an kommunalen Abstimmungen und für demokratische Rechte von Drittstaatsangehörigen.