Die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, findet seit 1998 alljährlich in Graz statt. Sie hat sich seitdem als unverzichtbarer Treffpunkt für Filmbranche und Publikum etabliert. Der vorliegende Katalog versammelt Texte zu sämtlichen Wettbewerbsfilmen der Diagonale’18 – von Spielfilmen über Dokumentarfilme bis hin zu Experimental- und Animationsfilmen. Das Festival versteht sich als Forum für die Präsentation und Diskussion österreichischer Filmproduktionen. Der Katalog der Diagonale dient daher als repräsentatives Nachschlagewerk zur Filmproduktion des jeweiligen Jahres. Einführungen zu den Spezial- und Rahmenprogrammen eröffnen darüber hinaus Perspektiven auf die österreichische Filmgeschichte. Vorangestellt widmet sich Stefan Grissemann in einem Essay markanten kulturpolitischen Entwicklungen, Trends und Tendenzen des Filmjahres 2017/18. Mit Texten von Alejandro Bachmann, Stefan Grissemann, Sebastian Höglinger, Jana Koch, Michelle Koch, Peter Schernhuber, Florian Widegger, Alexandra Zawia u. a.
Häusliche Brutalität und heimliche Bedrohung im Spannungskino
280 páginas
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Nicht erst die gegenwärtig extreme Häufung von Femiziden durch (Ex-)Beziehungspartner in Österreich erinnert daran: Gewalt dringt nicht so oft von 'außen' ein, wie sie vielmehr im sozialen Nahbereich ausgeübt wird, oftmals im gemeinsamen Haushalt. Häusliche Gewalt, die fast immer von Männern ausgeht, wird zur gewohnten Gewalt, wird von Betroffenen wie auch von Öffentlichkeiten viel zu oft als normal, als Teil des Alltäglichen, hingenommen.Das Kino weiß davon: nicht zuletzt davon, wie das allzu Gewohnte von Herrschafts- und Gewaltverhältnissen in Form von Schocks und Schrecken wahrgenommen wird; und wie daraus wiederum Routinen entstehen, Subgenres und Kinotrends, räumliche und erzählerische Muster. Besonders Filmthriller erzählen häufig von Heim, Beziehung und Familie als Schauplätzen von Bedrohung durch deine täglichen Nächsten, die männlich gegendert und sozial klassifiziert ist. Von den Gaslight-Filmen der 1940er Jahre und ihren Nachbildern bis zu den Wendungen von Gone Girl (2014), vom Sixties-Klassiker What Ever Happened to Baby Jane? bis zum Oscar-Gewinner Parasite (2019), von Nazis und anderen Feinden in deinem Bett bis zu den totalen (und brutalen) Familien des österreichischen Films: Diese Arten von Spannungskino wirken auch zurück auf populäre Sprechweisen und Vorstellungen von Gewalt, Viktimisierung und Gegenwehr.Die circa 50 kurzen Texte dieses Bandes ziehen Bahnen durch dieses Feld der domestic thrillers und ihrer Umgebungen, in Hollywood und weltweit. Filmkritik und Filmgeschichte verbindet sich dabei mit Sozialkritik der Gegenwart: Was an diesen Motivvorräten von Nahgefahr, Psychospielen und Entmächtigung erscheint im Licht rezenter Erfahrungen von Lockdown und ansteigender Beziehungsgewalt wieder oder neu aufschlussreich und klarsichtig? Wo sind diese Filme in ihren Festschreibungen - etwa von Rassifizierungen, von Geschlechter- und Klassenpositionen - selbst Teil des Problems? Und was verrät das Kino im Spannungsmodus über den Schrecken, der Alltagsobjekten, Hausarbeit und privilegierten Lebensweisen latent innewohnt?
Die Grazer »Diagonale« versammelt als »Festival des österreichischen Films« seit 1998 einen großen Teil der Filmproduktion eines Jahres aus ganz Österreich. Der Katalog der Diagonale dient daher als repräsentatives Nachschlagewerk und einzigartige Chronik des international immer wieder beachteten österreichischen Films. Auch in der neuen Auflage des Programmbuchs finden sich Texte und Bilder zu sämtlichen Wettbewerbsfilmen der Diagonale 2019 – von Spielfilmen über Dokumentarfilme bis hin zu Experimental- und Animationsfilmen. Das Festival versteht sich als Forum für die Präsentation und Diskussion österreichischer Filmproduktionen. Newcomer bekommen dabei ebenso Aufmerksamkeit wie die etablierten Filmemacher. Einführungen zu den Spezial- und Rahmenprogrammen eröffnen darüber hinaus Perspektiven auf die österreichische Filmgeschichte. Vorangestellt widmet sich Stefan Grissemann in einem Essay markanten kulturpolitischen Entwicklungen, Trends und Tendenzen des Filmjahres 2018/19. Mit Texten von Stefan Grissemann, Sebastian Höglinger, Jana Koch, Michelle Koch, Peter Schernhuber, Alexandra Zawia u. a.
Roman Polanski, geboren 1933 in Polen und in Paris aufgewachsen, hat sich als Regisseur in England, Amerika und Frankreich einen Namen gemacht. Mit Filmen wie „Messer im Wasser“, „Ekel“, „Tanz der Vampire“, „Rosemary's Baby“, „Der Mieter“, „Tess“, „Der Pianist“ und „Oliver Twist“ hat er den Ruf eines großen Filmkünstlers erlangt, der trotz eines tiefen Verständnisses für dramaturgische Regeln eigene Wege geht, um das Außergewöhnliche darzustellen. Bereits zu Beginn seiner Karriere verband er das Vergnügen an grotesken Außenseitern und Satire mit einer eindringlichen Analyse „kranker Seelen“. Seine Figuren leben oft in verletzlichen Körpern, was nicht zuletzt auf seine eigenen Erfahrungen zurückzuführen ist. Als jüdisches Kind erlebte Polanski den Überfall des „Dritten Reichs“ auf Polen, was die Themen Verfolgung und Bedrohung in vielen seiner Werke prägt, insbesondere in seinem Spätwerk. Zu diesen zählen „Der Tod und das Mädchen“, „Der Pianist“, „Oliver Twist“ und „The Ghost Writer“. Die Beiträge in diesem Heft würdigen seine anerkannten Werke aus heutiger Sicht und rehabilitieren viele der bisher vernachlässigten Filme. Sie beleuchten das Schaffen eines Mannes, der im Alter von 76 Jahren überraschend in der Schweiz inhaftiert wurde, als er zu einem Filmfest eingeladen wurde, bei dem er geehrt werden sollte.
Neil Jordan, der irische Regisseur und Schriftsteller, zählt zu den bedeutendsten Vertretern des zeitgenössischen Autorenkinos in Europa, obwohl seine Bedeutung oft unterschätzt wird. Seine Werke spiegeln sowohl die von Gewalt geprägte Geschichte Irlands als auch die fantastischen Bildimaginationen von Märchen und Träumen wider. Die Bandbreite seiner Filme reicht von der schauerromantischen Allegorie „The Company of Wolves“ bis zur Lebensgeschichte des irischen Nationalhelden „Michael Collins“, vom provokativen Polit-Thriller „The Crying Game“ bis zum melancholischen Melodram „The End of the Affair“. Trotz der unterschiedlichen Genres und Stile gibt es thematische Konstanten, die Jordans Handschrift prägen. Ein zentrales Motiv ist die von ihm benannte „twilight zone“, der schillernde Zwischenraum, in dem seine unkonventionellen Protagonisten agieren. Seine Filme sind bevölkert von Außenseitern, die das Unerreichbare begehren: einsame Liebende, Verirrte und Verstoßene, sowie Figuren, die an der Grenze geschlechtlicher, politischer oder sozialer Identitäten wandeln. Fantastische Wesen wie die Wolfsmenschen und Vampire stehen in Verbindung zu den Transsexuellen in „The Crying Game“ oder „Breakfast on Pluto“. Jordan ist fasziniert von der Idee, alternative Versionen seiner selbst durch Verwandlung und Rollenübernahme zu konstruieren.