Die Außenbeziehungen der Staaten und Herrschaftsbildungen im mittelalterlichen Europa haben in den zurückliegenden Jahren verstärkte und systematische Beachtung gefunden. Dabei stand jedoch meist das westliche Europa, Frankreich, Burgund und England im Vordergrund des Interesses. Im östlichen Mitteleuropa bildeten sich seit dem frühen 14. Jahrhundert Strukturen heraus, die diese Länder eng mit dem Westen in Beziehung brachten: „westliche“ Dynastien wie die Habsburger und die Luxemburger wurden Herrschaftsträger im Osten, verschiedene Reichsterritorien kamen als Nachbarn in enge Beziehungen zu Polen, Böhmen und Ungarn; der Deutsche Orden in Preußen wurde zu einem wichtigen Akteur auf europäischer Ebene. Für diese Konstellationen stellt der aus Beiträgen einer internationalen Fachtagung im Herder-Institut hervorgegangene Band die Frage nach dem Profil der Handelnden in den spätmittelalterlichen internationalen Beziehungen. In Augenschein genommen werden Konstellationen in Polen, Böhmen, Ungarn, Litauen, im Ordensstaat und im Moskauer Rußland sowie die Perspektive von Akteuren aus dem Reich (Pommern, Brandenburg und Sachsen).
Stephan Flemmig Libros






Peter von Zittau berichtet in der Königsaaler Chronik zum Jahr 1334 von handfesten Streitigkeiten zwischen Bettelbrüdern und Pfarrgeistlichen in Prag. Bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatten sich Franziskaner und Dominikaner im mittelalterlichen Böhmen und Mähren niedergelassen; seit den 1260er Jahren wurden überdies Niederlassungen der Augustinereremiten errichtet. In den folgenden zwei Jahrhunderten, bis zum Ausbruch der Hussitenkriege, hatten die genannten Bettelorden einen großen, teilweise umstrittenen Einfluss auf die böhmisch-mährische Geschichte und Kultur. Stephan Flemmig trägt den tschechischen, polnischen und deutschsprachigen Forschungsstand zu den mendikantischen Orden im hochmittelalterlichen Böhmen und Mähren zusammen. Er kann so nicht nur einen Überblick über die Geschichte der Mendikanten und ihre Ansiedlung in Böhmen und Mähren geben, sondern auch ihr Verhältnis zu den Landesherren, zum Adel und zu den Städten bestimmen sowie ihr Wirken aufzeigen. Und er arbeitet auf dieser Basis die Vielschichtigkeit des Streites von 1334 heraus.
Antiintellektualismus in der böhmischen Franziskanerobservanz um 1500?
Das naturkundliche Werk des Jan Bosak Vodnansky
Die spatmittelalterliche Geschichte Bohmens wurde von der hussitischen Bewegung tief gepragt. Entsprechend mussten auch die Bruder der franziskanischen Observanz ihr Verhaltnis zum Hussitismus klaren. In der damit verbundenen Frage nach dem Wert von Bildung und Gelehrsamkeit dominierte eine stark antiintellektualistische Position. Dagegen positionierte sich Jan Bosak Vod?ansk. Neben seinem gut bekannten theologischen Wirken steht der Vocabularius dictus Lactifer von 1511. Dieses lateinisch-tschechische Worterbuch enthalt ein bemerkenswertes naturkundliches uvre, das naher vorzustellen ist.
Probleme der spätmittelalterlichen Frömmigkeit in Stadt und Universität
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Die Frömmigkeitsgeschichte hat sich in der europäischen Mediävistik als Forschungsrichtung fest etabliert – trotz vieler gemeinsamer Fragestellungen gibt es aufgrund der differenten historischen Rahmenbedingungen für die deutsche, tschechische und polnische Geschichte zum Teil sehr unterschiedliche Befunde. Hier setzen die Beiträge des Tagungsbandes an, den jeweiligen Forschungsstand zur spätmittelalterlichen Frömmigkeit in Deutschland, Tschechien und Polen festzuhalten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den böhmischen und polnischen Untersuchungsfeldern, konkret auf den spätmittelalterlichen Universitäten Prag und Krakau. Die Beiträge zeigen, dass Frömmigkeit eine der Strukturen darstellt, die den gemeinsamen Typ der mitteleuropäischen Universität prägten, der sich wiederum deutlich vom westeuropäischen (Pariser) Typ und der mediterranen (Juristen-) Universität abhebt.
Leben, Religiosität und Verehrung von Heiligen waren im Mittelalter überwiegend an feste Räume gebunden. Eine Analyse dieser biographischen und hagiographischen Kontexte erlaubt es, die Einbindung dieser Räume in das mittelalterlich-lateinische Europa zu bewerten. Hagiographie hatte also Anteil an kulturellen Transferprozessen und an einem zentralen Ergebnis dieser Prozesse, der Selbsteuropäisierung von Räumen. Beispielhaft wird dies für Schweden und Polen, für die Heiligen Birgitta von Schweden (gest. 1373) und Hedwig von Anjou (gest. 1399) gezeigt. Birgitta, die erste päpstlich kanonisierte Heilige Schwedens, verband in Leben und Kult genuin schwedische und über Schweden hinausreichende Aspekte. Ihre Verehrung erreichte früh Ostmitteleuropa und beeinflusste in Ansätzen die Religiosität der Hedwig. Weil eine Kanonisation Hedwigs scheiterte, blieb ihre Verehrung räumlich eng begrenzt, folgte dennoch Mustern, die nicht nur in Polen wirksam wurden.
Zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa
Die Beziehungen von Jagiellonen, Wettinern und Deutschem Orden (1386–1526)
In welchem Verhältnis standen die Wettiner zu den jagiellonischen Großfürsten in Litauen, zu den jagiellonischen Königen in Polen, Böhmen und Ungarn, schließlich zum Deutschen Orden? Stephan Flemmig untersucht ihre eng verflochtenen Beziehungen in Ostmitteleuropa vom späten 14. bis in das 16. Jahrhundert. Um die komplexe Struktur dieser Beziehungen zu erfassen, legt er zunächst wesentliche Entwicklungslinien der ostmitteleuropäischen Geschichte dar. Aufgrund des disparaten, eindeutig polnisch dominierten Forschungsstandes waren darüber hinaus für weite Teile der Arbeit intensive Quellenstudien notwendig. Ungedrucktes Material aus Archiven im deutschsprachigen und polnischen Raum bildete hierfür die Grundlage. Darauf aufbauend gelingt Flemmig nicht nur eine Rekonstruktion der Beziehungen von Wettinern, Jagiellonen und Deutschem Orden. Er leistet zudem eine Analyse der Praxis auswärtiger Politik, sowohl was die Träger und Akteure auswärtigen Handelns betrifft als auch die Bedeutung der schriftlichen Kommunikation sowie des direkten diplomatischen Kontakts.