Der vorliegende Gegenwartsroman aus dem Jahre 1924 handelt in den Anfangsjahren des sowjetischen Georgiens. Im Mittelpunkt der Handlung stehen drei Figuren, zwei Männer mit entgegengesetzten Le- benshaltungen und eine Frau, die sich zwischen ihnen entscheiden muss. Dem georgischen Autor gelingt es, die psychologisch-sexuellen Beweggründe ihrer Zwangslage und Entscheidung nachzuvollziehen. Die abwechslungsreiche und oft komische Handlung und ihre Charaktere sind unterhaltsam und plastisch, die satirische Perspektive amüsant, die Sprache originell und witzig, gewürzt mit etwas Erotik und philosophischen Betrachtungen über Gott und die Welt. In den Gesprächen mit einem ehemaligen Priester finden sich interessante Debatten und Dispute über Georgien, das Georgiertum, über den georgischen Adel, über die christliche Religion, den georgischen Nationalcharakter, die für alle Leser von Gewinn sind, kratzen sie doch an stereotypen Ansichten über Georgien. Das Werk zählt über Generationen zu den Lieblingsromanen der Georgier und hat unzählige Auflagen, Aufführungen und Verfilmungen erfahren.
Mixeil J. avaxis vili Libros






Das Samtkleid
Erzählungen Ausgewählt und aus dem Georgischen übersetzt von Kristiane Lichtenfeld
Dschawachischwilis Erzählungen spielen zwischen Stadt und Land, zwischen Moderne und Tradition und führen nach Tiflis und bis nach Paris. Viele von ihnen rufen eine Epoche der Unruhe und der Umwälzungen wach, wie sie auch in sein Leben eingriffen: die Jahre von der russischen Revolution von 1905 bis zu der von 1917, von der georgischen Unabhängigkeit 1921 bis zu deren Zerschlagung nur drei Jahre später. Immer wieder portraitiert Dschawachischwili vermeintlich Schwache, die »Erniedrigten und Beleidigten«: den Liliputaner »Tschantura«, der zur Jahrmarktsattraktion gemacht wird, oder Frauen, die männlicher Willkür und Gewalt ausgesetzt sind. Es geht um Liebe und Leidenschaft, um Not und um Verluste von geliebten Menschen, um »Schuld und Sühne« oder unerwartete Fügungen des Schicksals. Zu den eindrucksvollsten Erzählungen gehört »Der Stein des Teufels« um die Entfesselung einer Masse von Menschen, die schließlich zur Selbstjustiz greifen und so von Opfern zu Tätern werden. In der Titelerzählung versucht ein junger Witwer mit dem Samtkleid seiner verstorbenen Frau zu leben, als sei es sie selbst. Während Dschawachischwili heute als Romancier bekannter ist, zeigen gerade die hier gesammelten Erzählungen seine ganze Vielfalt. Die einfühlsame psychologische Figurengestaltung jenseits von moralischer Bewertung – häufig von Frauen –, die feine Ironie, der harte Realismus, das Aufgreifen der Volkssprache weisen ihn als einen herausragenden Schriftsteller seiner Zeit aus. Dabei fallen immer wieder Vergleiche mit französischer Literatur: mit Stendhal, Zola und Maupassant, aber auch mit Russen von Dostoevskij bis zu Ivan Bunin, von Gorkij bis hin zu Michail Bulgakov.
Winzlings Hochzeit
Liebesgeschichten aus Georgien
Tina lebt mit ihrem Vater Toma in einem kleinen Bahnwärterhaus. Tina ist 18 Jahre alt. Sie möchte endlich einen Mann, den sie lieben und heiraten kann. Doch Tina ist blind, wer will schon ein blindes Mädchen? Es gibt einen hübschen Jungen im Dorf, der ist in Tina verliebt. Doch der Junge geht eines Tages fort. Und Tina lernt Solo kennen. Solo ist fast so alt wie ihr Vater. Doch Solo verspricht die Heirat, und er will Tina in die Stadt zu einem Augen-Arzt bringen. Wird Solo Tina glücklich machen? Micheil Dschawachischwili lebte von 1880 bis 1937. Er gehört zu den wichtigsten georgischen Schriftstellern. Georgien war von 1921 bis 1991 Teil der Sowjetunion. Vor der Revolution in Russland reiste Micheil Dschawachischwili durch viele Länder und studierte in Paris. Er hat viele Erzählungen über das Leben der einfachen Leute geschrieben. Und er hat mehrere Romane verfasst. Wie zum Beispiel einen Gauner-Roman: Das fürstliche Leben des Kwatschi K. Im Jahr 1937 werden viele unschuldige Menschen verhaftet, die der Staat als Gegner verdächtigt. Auch Micheil Dschawachischwili wird gefangen genommen, gefoltert und als Staats-Feind erschossen. Erst viele Jahre später wird seine Unschuld bekannt gegeben.
Dieser glanzvolle Epochen-Roman, 1924 entstanden – drei Jahre nach Georgiens gewaltsamem Anschluss an Sowjetrussland –, atmet bis heute dank klarer, unbestechlicher Weltsicht und sprühenden Einfallsreichtums seine ursprüngliche Frische. Der Anti-Held Kwatschi Kwatschantiradse ist eine der literarischen Lieblingsfiguren der Georgier. Ausgestattet mit unwiderstehlichem südländischen Charme, einem falschen Adelsbrief sowie der Gabe, sich Menschen und Umstände weidlich nutzbar zu machen, gelangt der aus tiefer Provinz stammende Frauenheld, gewiefte Betrüger, Versicherungsschwindler, Bankräuber, Geschäftemacher, Liebhaber eines verschwenderischen Lebensstils dank seiner Hochstapelei bis an den Sankt Petersburger Zarenhof, wo er sich das Vertrauen des einflussreichen Popen Rasputin erschleicht und vom Zaren selbst den russischen Fürstentitel erhält. Mit seiner verschworenen Freundes-Crew bereist Kwatschi Westeuropa, erschließt sich in Wien, Paris, London, Rom neue Profitquellen und schwelgt in schillernden Amouren. Im Weltkrieg und während der im maroden Russland dicht aufeinander folgenden Revolutionen wechselt er chamäleonartig Farben, Fronten, Parolen und Parteien, weiß jeweils seinen Schnitt zu machen. Bis ihm eines Tages der Boden zu heiß wird im Sowjetland und er es vorzieht, seine Gaunerlaufbahn in einem türkischen Bordell zu vollenden. Micheïl Dshawachischwili (1880 - 1937, ermordet im Zuge der stalinistischen Säuberungen), gilt mit seinen Romanen und Erzählungen als einer der Begründer moderner georgischer Prosa. Überragendes Hauptwerk dieses Weltbürgers ist sein »georgischer Felix Krull«.