Der Materialienband dokumentiert die komplexe Entstehungsgeschichte des Stücks, das Brecht 1940 von der finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki übernahm. Die umfassende Erschließung der finnischen Quellen und der vollständige Druck von Brechts Entwürfen ermöglichen es dem Leser, die Entwicklung des Werkes nachzuvollziehen und Brechts Umwertung fremden Materials zu erkennen. Gleichzeitig treten Brechts Intentionen klarer hervor: Er transformiert einen harmlosen Schwank in eine Parabel über Herrschaft und Knechtschaft. Brechts Selbstaussagen und Kommentare reflektieren seine theoretischen Interessen, insbesondere die Absicht, das Volksstück als moderne, nicht-romantische und nicht-simplifizierende Gattung neu zu definieren. Ein weiterer Schwerpunkt des Bandes liegt auf der Dokumentation der Aufführungen, insbesondere der beiden Berliner Inszenierungen von 1949 und 1952, die Brecht als Modelle betrachtete. Die Auswahl aus den aufschlussreichen Notaten wird durch Kritiken, zentrale Passagen der wissenschaftlichen Literatur sowie ein Aufführungs- und Literaturverzeichnis ergänzt. Diese Materialien bieten einen tiefen Einblick in Brechts kreativen Prozess und seine künstlerischen Ziele.
Hans Peter Neureuter Libros





Stückwerke
Studien zur deutsch-europäischen Literaturgeschichte
Mehr als ein Jahr – von April 1940 bis Mai 1941 – verbrachte Brecht auf der Flucht vor Hitler und seinem Krieg in Finnland. In dieser Zeit entstanden bedeutende Werke wie das Volksstück „Herr Puntila und sein Knecht Matti“, die Exilsatire „Flüchtlingsgespräche“, die Naturlyrik der Steffinischen Sammlung und das politische Gangsterstück „Der Aufstieg des Arturo Ui“. Die Verbindung von Entstehungsgeschichte und Interpretation dieser Werke mit Brechts täglicher literarischer Arbeit wird beleuchtet, einschließlich seiner Annäherung an die Volkspoesie, seiner Übersetzertätigkeit und der Arbeit an fragmentarischen aristophanischen Revuen. Die biographische Erzählung von Hans Peter Neureuter zeigt Brecht nicht nur als Künstler, sondern auch in seinem Alltag mit Familie und Freunden in Helsinki sowie auf dem Landgut Marlebäck der Schriftstellerin Hella Wuolijoki. Sie umfasst seine Kontakte zu finnischen Schriftstellern, Theaterleuten und Politikern sowie die mühsamen Bemühungen um Einreise- und Transitvisa in die USA. Zudem wird die politische Situation Finnlands thematisiert, das kurz nach Brechts Abreise seinen zweiten Krieg gegen die Sowjetunion begann – an der Seite der deutschen Wehrmacht. Der Text ist eine überarbeitete Fassung von Neureuters Habilitationsschrift an der Universität Regensburg, wo er bis 2002 Neuere deutsche Literatur lehrte.