Im Vorwort seiner Autobiographie von 1718 reflektiert Georg Philipp Telemann über seine Schulzeit in Magdeburg, wo er die Grundlagen des Singens erlernte. Er würdigt die Musikpflege an seinen verschiedenen Schulorten, einschließlich des Zellerfelder Kantors und des Leipziger Thomaskantors Johann Kuhnau, der ihn in kontrapunktischen Studien inspirierte. Telemann war in Hamburg als Kantor und Musikdirektor der fünf Hauptkirchen tätig, was oft übersehen wird. Nur in Städten wie Leipzig, Sorau, Eisenach und Frankfurt war er Kapellmeister ohne die übliche Doppelrolle als Schulkantor. Ähnliche Erfahrungen finden sich in den Biographien anderer Komponisten wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel. Die musikalische Ausbildung in Schulen wie Eisenach, Lüneburg und Halle prägte ihr Leben nachhaltig. Schulkantoren verfassten Lehrbücher und Kompositionen, aus denen die Schüler lernten. Die Erhaltung vieler Meisterwerke ist den Kantoren zu verdanken. Die Bedeutung der Kantoren in Schulen und Gymnasien vom 16. bis 18. Jahrhundert für das Musikleben mitteldeutscher Städte ist bekannt. Ihr Einfluss auf die Kompositionen und Lebenswege großer Meister aus Mitteldeutschland ist jedoch bemerkenswert und verdient eine erneute Betrachtung der Struktur, Funktion und Bedeutung des deutschen protestantischen Kantorats in dieser Zeit.
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Volksmusik und nationale Stile in Telemanns Werk
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Georg Philipp Telemann wusste mit bemerkenswertem Spürsinn, das Beste aus verschiedenen musikalischen Traditionen auszuwählen, was seine Zeitgenossen als „vermischten Geschmack“ bezeichneten. Diese Symbiose wirft Fragen auf: War der „vermischte Geschmack“ eine ästhetische Utopie oder klangliche Realität? Welche Elemente entnahm Telemann den „Musikarten aller Nationen“ und was gab er ihnen zurück? Fand er Inspiration nur in der polnischen Volksmusik oder lassen sich auch Einflüsse anderer musikalischer Folklore erkennen? Die Internationale Wissenschaftliche Konferenz anlässlich der 12. Magdeburger Telemann-Festtage untersuchte diese Aspekte und vertiefte das Wissen über nationale Musikstile sowie Telemanns Position als europäisch denkender Komponist. Die 13. Magdeburger Telemann-Festtage konzentrierten sich auf neue Erkenntnisse im Umgang mit seinen Opern. Vergleiche mit anderen Komponisten und Analysen von Form und Stil zeigen Telemann als bedeutenden Vertreter der deutschsprachigen Oper im 18. Jahrhundert, der das deutsche Musiktheater entscheidend prägte. Die Rezeption seiner Werke in Vergangenheit und Gegenwart regt zu einem neuen Nachdenken über Telemann im Kontext der Gattungsgeschichte an. Der vorliegende Band vereint die Beiträge beider Konferenzen.
Obwohl sich Musik vom Beginn menschlicher Entwicklung an wohl nie in einem zweckfreien Raum abgehobenen Musizierens bewegte, sondern überwiegend anlaßgebunden funktionierte, konnte seit seinem Entstehen am Ende des 18. Jahrhunderts der Begriff “Gelegenheitsmusik„ immer wieder pejorativ belastet werden. Das betraf völlig unnachsichtig wiederholt auch die Musik Georg Philipp Telemanns. Telemann hatte zwar - jedenfalls bei einigen Gattungen - sehr vielfältig Teil an jenem Prozeß im 18. Jahrhundert, der auf dem Weg zum öffentlichen Konzert und zur breiten Hausmusikpflege von enger Anlaßbindung der Musik zu einer sichtlich erweiterten Funktion führte. Dennoch aber wurde oft gerade seine Musik - ohne zu differenzieren, obwohl nur unzureichend bekannt - gern als Beispiel für “Gelegenheitsmusik“ herangezogen. So lag es nahe, Telemanns Verhältnis zum “Gelegenheitswerk„ eine eigene Fachtagung zu widmen, in der Hoffnung, daß sie Zuwachs an Material und Erkenntnissen über sein Komponieren und den Wandel seiner sozialen Verpflichtungen brächte, also, wenn man so will, über Telemann als Tonsetzer von Musik zwischen Auftrags- und Funktionsgebundenenheit und vorgeblich autonomem Kunstwerkanspruch. Die Referate der Konferenz “Telemanns Auftrags- und Gelegenheitswerke - Funktion, Wert und Bedeutung“ (Magdeburg, 14. bis 16. März 1990) legen wir hiermit vor. Vorwort der Herausgeber
Georg Philipp Telemann
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