Ingo Eser Libros

War die deutsche Minderheit in Polen zwischen den Kriegen in erster Linie ein Instrument reichsdeutscher Aussenpolitik und gegenuber dem polnischen Staat stets illoyal? Verfolgten die polnischen Behorden eine restriktive Politik mit dem Ziel der "Entdeutschung" des Landes? Beide Fragen wurden allzu haufig bejaht, wurde doch die Geschichte der deutschen Minderheit in Polen bislang meist von ihrem Ende her gedacht - aus der Perspektive von Krieg, Besatzung und anschliessender Vertreibung. Das Schulwesen der Zwischenkriegszeit bietet die Moglichkeit, diese verengte Sichtweise zu durchbrechen und das Beziehungsdreieck Polen - deutsche Minderheit - Deutsches Reich in neuem Licht zu sehen. Das Bildungswesen stellte dabei eines der Kernprobleme der Minderheitenpolitik Der Staat sah in der Schule ein Mittel, um sich der Loyalitat seiner Jugend zu vergewissern, die Minderheit eine Institution, um ihre Sprache und Kultur zu pflegen. Deutsche Padagogen formulierten wiederholt den Anspruch, Treue zum "Volkstum" und Loyalitat gegenuber dem Staat in Einklang bringen zu wollen. Dennoch blieb die Rolle der deutschen Schulen eine Einerseits waren sie Ort der ethnisch-nationalen Selbstvergewisserung und ideologischen Einflussnahme, andererseits waren sie eine "Anpassungsschleuse", die die Eingewohnung in den polnischen Staat erleichterte.

Mit dem vierten Band der deutschen Ausgabe ist die umfassende Dokumentation abgeschlossen, die in zwei parallelen Ausgaben auf Polnisch und Deutsch in Warschau und Marburg veröffentlicht wurde. Insgesamt wurden etwa 1350 Dokumente von einer Arbeitsgruppe deutscher und polnischer Historiker aus Zehntausenden in polnischen Archiven gesammelten Materialien ausgewählt. Diese Dokumente, zusammen mit ausführlichen Einleitungen und Kommentaren, beleuchten das Schicksal der Deutschen im polnischen Machtbereich von 1945 bis 1950. Sie bieten neue Perspektiven, die auf zeitgenössischen polnischen Behördenakten basieren, die nach der Aufhebung der Tabuisierungen der kommunistischen Ära zugänglich wurden. Diese Akten stammen aus verschiedenen Ebenen, einschließlich zentralstaatlicher, Wojewodschafts- und Kreisebene, sowie von Militäreinheiten und Parteiorganen, die mit der Zwangsaussiedlung der Deutschen und deren Situation in Polen befasst waren. Die Dokumentation ist in vier Bände gegliedert, die sich jeweils auf unterschiedliche Wojewodschaften konzentrieren, darunter zentrale Behörden, Schlesien, Posen und Danzig.